Donnerstag, 1. Mai 2014

quadrofotografie

l'inconnu, 2001

























liebe blogfollowers

der blog wird ab sofort alle drei wochen erscheinen. viel spass!

das bild heisst „l’inconnu“ und ist ein schönes beispiel dafür, was die bewegte kamera kreieren kann.

actionsampler von lomo

die geschichte erinnert stark an jene in blog 8 geschilderte story mit dem i-pen. wir bewegten uns zeitlich immer noch in der analogen kamerawelt, ungefähr im jahr 1997. es geschah wieder am helllichten tag, ausgelöst und inszeniert von einem versandkatalog. und glaubt mir – ich bin nun wirklich kein versandkatalogfan, aber das universum mit seinen oft kuriosen zufällen stiess mich förmlich mit der nase darauf. 

in einem inserat wurde eine kleine wunderkamera angepriesen, umrahmt von spielenden kindern und einer breit und überglücklich lachenden grossmutter. mein interesse galt weniger diesen lachenden, glücklichen menschen, als vielmehr der begründung für dieses unermessliche glück.

die kamera hatte nicht nur ein objektiv, nein, sie hatte deren vier vorzuweisen, angeordnet als quadrat. wenn bei der aufnahme der kameraverschluss ausgelöst wird, dreht sich hinter den vier objektiven eine scheibe, die ein loch aufweist. während rund einer sekunde, solange dauert der ganze aufnahmeprozess, dreht sich diese scheibe mit dem einen loch hinter den vier objektiven, lässt so bei einem objektiv nach dem andern licht hindurch und belichtet den kleinbildfilm dahinter. auf diesem kleinbildformat 24x36mm werden also statt einem bild ganze vier bilder in dementsprechend kleinerem format abgebildet, mit dem ziel, diese zu verschenken.

selbstporträt, 1998

sofort übte diese kleine schwarze plastikkamera, eigentlich eine art lochkamera, an der es nun technisch wirklich nichts einzustellen gibt, eine unwiderstehliche faszination auf mich aus. vor allem die dauer der vier aufnahmen während einer sekunde – das schrie nach kreativer umsetzung! die kamera war dafür ausgelegt, dass ein bewegtes objekt oder eine actionszene fotografisch festgehalten werden kann. was würde aber geschehen, wenn ich selber während dieser sekunde die kamera stark bewege?

ich konnte die ersten knipsversuche kaum erwarten. vor allem überrascht und begeistert war ich primär von der abbildungsleistung dieser vier plastiklinsen in miniaturgrösse, was zusätzlich auch auf die starke weitwinkelausrichtung der linsen zurückzuführen ist. eine vergrösserung bis a2/a1 ist möglich!

der absolute knüller aber ist diese aufnahmesekunde. ich kann einerseits die kamera ganz ruhig halten und so vier praktisch identische bilder schiessen. schon die vierfache wiederholung des gleichen bildes übt einen speziellen künstlerischen reiz aus. wenn ich aber andererseits die kamera rasch bewege, erhalte ich vier verschiedene bilder mit mehr oder weniger starker bewegungsunschärfe. auch wenn ich ein schneller berner bin, bin ich viel zu langsam im bewegen der kamera, wenn ich durch den aufklapparen sportsucher guckend, die kamera am auge behalte. ich trickse das system aus, indem ich das ausgangsbild anvisiere, dann auslöse und die kamera sofort und schnell in einer vorher geübten bahn wild durch die luft wirble.

es braucht nicht viel fantasie, um sich die wiederum verdutzten gesichter der zeitgenossen vorzustellen, die jeweils  ungewollt zeugen einer aktion der besonderen art werden, sobald der wilde mann diese kleine kamera durch die luft wirbelt. eine aktion mit fast signerschen ansätzen, allerdings ohne explosionen und meist ohne zerstörung (roman signer, schweizer künstler).

nicht ganz – viele „fliegende“ kameras sind an ihrer feder zerbrochen, die das ominöse verschlussrad antreiben, kaputtgestossen durch die wilden bewegungen in der luft. die unregelmässige geschwindigkeit dieses verschlussrades führt leider oft dazu, dass eines der vier bilder unterbelichtet ist, gerade nach einem rasanten „achterbahntrip“ der kamera.

das ganze system bietet alle kicks, aber auch nachteile der analogen fotografie: der preis eines films, und das warten, bis die filme entwickelt aus dem labor zurückkommen. da diese kamera keinen belichtungsmesser hat, müssen die lichtverhältnisse wie vor hundert jahren abgeschätzt werden. so laufe ich immer mit zwei kameras gleichzeitig durch die welt, mit einem niedrig empfindlichen film in der einen und einem hochempfindlichen in der anderen kamera. das hat zusätzlich den vorteil, dass eine reservekamera vorhanden ist, falls die andere zu schrott „bewegt“ wurde. 

es verging einige zeit, bis ich merkte, dass diese kamera zu der ein bisschen schrägen welt der lomos gehört und das ganze sich lomographie nennt. heute gibt es eine riesige fangemeinde, mit einem absoluten treuecredo für die analoge fotografie. in berlin zum beispiel gibt es, wie auch in anderen städten, riesige shops, gefüllt mit lomokameras für jeden gusto. unter www.lomo.de erfährt man mehr über den hype mit der lomografie.

2 Kommentare:

  1. Lieber Urs
    Für die High-Teck-Freaks gibt’s etwas Ähnliches in digitaler Form. Ich habe eine Sony-Kamera, klein, handlich und nur etwa 1 cm dick, ich glaube es ist eine TX-10 (steht leider nirgends drauf).
    Diese Kamera kann ganz normale Bilder machen, was allerdings nicht sehr interessant ist. Sie hat aber auch eine Funktion mit der ganze 10 Bilder nacheinander aufzunehmen sind, was, wen wundert’s, einen unweigerlich dazu verleitet, die Kamera nicht eben bewegungslos zu halten. Zum Glück hat sie einen Bändel, welchen sie davor schützt, nicht auch noch davon zu fliegen. (Dies überlassen wir dann der nächsten Kamerageneration mit eingebauter Helikopterfunktion).
    Herzliche Grüsse Peter

    www.PeterAndres.ch

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  2. Lieber Peter
    Vielen Dank für Deinen erfrischenden Beitrag zum Thema fliegende Krativität. Die kleinen Helikopter mit unten befestigter Actionkamera gibts ja bereits - zum fröhlichen Ausspionieren des Nachbargartens.
    Herzliche Grüsse
    Urs

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