Freitag, 4. April 2014

facettenreiches gedächtnis

schattenfiguren, 2014


der letzte blogtermin vom 22.3. ist ausgefallen, da ich in den ferien war. ich durfte eine wunderschöne entdeckungsfahrt erleben durch myanmar, kambodscha und thailand, mit menschlichen, kulturellen, landschaftlichen und natürlich auch fotografischen highlights.

ab montag ist meine homepage auch in englischer sprache aufgeschaltet. ich begrüsse ganz herzlich alle interessierten im angelsächsischen raum.

facettenreiches gedächtnis

wenn ich ein foto betrachte, so erkenne ich personen, ein gesicht, orte oder auch situationen. dafür brauche ich ein gedächtnis, welches mir ermöglicht, informationen zu erwerben, zu speichern oder abzurufen. so kann ich mich an erlebnisse erinnern oder auch die zukunft vorausplanen, entsprechend meinen bewerteten vorerfahrungen. das könnte man dann (je nach resultat) intelligentes verhalten nennen.

das kurzzeitgedächtnis speichert und erinnert unmittelbar, aber mit begrenzter kapazität. das langzeitgedächtnis hat eine grosse speicherkapazität mit stabileren erinnerungen. diese basieren auf der synaptischen plastizität. 

das langzeitgedächtnis kann wiederum unterteilt werden in das deklarative, explizite wissensgedächtnis, wo fakten, aber auch automatisierte handlungen gespeichert werden (z. b. fahrradfahren: zuerst bewusst gelernt, dann automatisiert sich der prozess). hier geht es also um neulernen und umlernen.

im nichtdeklarativen, impliziten gedächtnis geht es um das „wissen wie“. hier werden emotionale reaktionen (angst vor einem tier) und motorische reflexe (augen schliessen bei gefahr) gespeichert. das ganze läuft nach dem prinzip der pawlow‘schen konditionierung ab. der zweck dieser gedächtnisspeicherung ist es, die überlebenschancen zu optimieren.

das hundeexperiment von pawlow funktioniert folgendermassen: bei der futterabgabe ertönt eine glocke, und den hungrigen hunden läuft beim anblick des herrlichen frasses natürlich das wasser im munde zusammen. mit der zeit ertönt nur noch die glocke ohne essensabgabe – und der mund läuft den hunden trotzdem über. das heisst: die hunde zeigen eine konditionierte reaktion auf den glockenton.

über unsere verschiedenen sinne prasseln dauernd reize und informationen aus der umwelt, aber auch aus unserem körper auf unser gehirn ein. das könnte zu einer überbordenden chaotischen erregung des gehirns führen (ein epilepsieanfall könnte so gesehen werden). das gehirn erhält seine ordnung aufrecht, indem der thalamus, das „eingangstor“ zum gehirn und wichtige schaltzentrale, unrelevante reize weg filtert. so bleiben viele neuronen unstimuliert oder werden sogar gehemmt. wenn ich mich stark auf etwas konzentriere, blende ich unwichtiges wie z.b. strassenlärm aus, sobald aber mein name gerufen wird, reagiere ich sofort.

ein einzelnes neuron „weiss“ nichts. erst verbände gleichzeitig aktivierter neuronen und ihre musterbildung ergeben bedeutung. bei lernprozessen – und leben ist ein einziger lernprozess – verknüpfen sich die beteiligten neuronen zu spezialisierten netzwerken. wenn ein neuron ein anderes neuron mehrmals aktiviert, entstehen neue kontaktstellen, die zudem mit jeder neuen aktivierung empfindlicher und stabiler(!) werden, wie wenn sich das system an die frühere stimulation erinnern würde. das nennt man langzeitpotenzierung (ltp).

das nervensystem ist also äusserst anpassunsfähig, lernfähig und selbstorganisiert!

das gehirn speichert alles, nur zum teil bewusst, zum grössten teil aber unterbewusst. alle unsere erlebnisse, gedanken und vorstellungen, aber auch unser handeln und dessen folgen und nicht zuletzt unsere emotionen (gespeichert in der amygdala, dem mandelkern, bestandteil des limbischen systems, tief im inneren des gehirns) bestimmen unsere identität. so wie wir die vergangenheit „bewerten“, beeinflusst sie unsere sicht der gegenwart und unser handeln in der zukunft.

zur erinnerung: das gedächtnis als solches gibt es nicht. es existieren nur unterschiedliche verarbeitungs- und speichersysteme. gedächtnis bedeutet demnach, dass strukturen des neuronalen netzwerkes verändert werden. das nennt man die neuroplastizität des gehirns.

quellen: christof koch, manfred spitzer, gerhard roth, klaus grawe

Samstag, 8. März 2014

die neurochemische grundlage unseres gefühlslebens

farbentanz, 2011


das bild in blog 9 heisst „farbentanz“, fotografiert in meinem  garten. wieder einmal konnte ich die kamera nicht still halten, trotz meiner doch sonst eher ruhigen hand. – spass beiseite –, das bild ist ein schönes resultat einer verwischungsunschärfe, erzielt durch die bewegung der kamera während einer langen verschlusszeit. 

in blog 7 widmete ich mich dem thema neuronenvernetzung. im heutigen blog erläutere ich die wichtigsten transmitter. sie bilden die grundlage unseres gefühlslebens.

die zellmembrane der neuronen werden durch irgendeinen reiz erregt. dieser nervenimpuls wandert entlang des bis zu einem meter langen zellfortsatzes, axon genannt, zu den synapsen, wo transportvesikel (kleine säcklein) bereitstehen, die mit neurotransmittern gefüllt sind (z.b. dopamin). 

diese durch den nervenimpuls ausgeschütteten transmitter erregen nun die empfangsstellen (dendriten) der benachbarten zielzelle so lange, bis diese auch feuert, also dieses signal in form von aktionspotentialen (eine folge von elektrischen signalimpulsen) über sein axon an die nächste zielzelle weiterleitet und diese wiederum erregt.

das ganze ist also eine elektrochemische form der signalübertragung von zelle zu zelle durch die freisetzung von verschiedensten neurotransmittern. dies geschieht in millisekunden bis sekunden. die meisten neurone stellen nach neuster forschung mehrere transmitter her. transmitter wirken erregend, aber auch hemmend. das wird bei den medikamenten ausgenutzt, die eben an diesen synapsen chemisch eingreifen.

neurotransmitter (im gehirn): glutamat, wichtig beim lernen und potentiell verantwortlich für die entstehung von schizophrenie und eventuell weiteren erkrankungen.

neuromodulatoren, die unser bewusstsein und unsere seelische befindlichkeit erschaffen: 

dopamin, unser antriebssystem für glück, lust, befriedigung, belohnung und unser arbeitsgedächtnis!

serotonin, für unser glückssystem und gefühlsleben.

noradrenalin, für aufmerksamkeit, neue reize, depression, aber zusammen mit adrenalin auch wichtig in unserem stresssystem.

acetylcholin, für unsere gedächtnisbildung.

neuropeptide: opioide - endorphine, die vom körper selbst produzierten morphine zur schmerzunterdrückung, aber auch zur steigerung von glücksgefühlen. mehr als hundert verschiedene sind bereits bekannt.

vasopressin, zur flüssigkeitsvolumenregulation

oxytocin, das allgemein bindungen verstärkt, z.b. mutter-kind oder partner untereinander. sex erhöht übrigens die oxytocinausschüttung und führt so zu mehr bindung. zusätzlich stärkt sex auch das immunsystem.

neurohormone: corticotropin-releasing-factor (crf), der das hormon acth produziert. diese „stressachse“ wiederum hat eine schlüsselfunktion im geschehen um traumatische erlebnisse.

viele leser erinnern sich vielleicht jetzt ein bisschen zurück an traumatische schulerlebnisse. keine angst, es ist nicht nötig, die vielen komplexen biochemischen vorgänge bis auf die molekulare ebene zu verstehen. ich bin aber fest davon überzeugt, dass es sich lohnt, die oben angeführten begriffe mal locker zu speichern, denn diese namen werden immer wieder auftauchen bei allen erklärungsversuchen von gefühlen, befindlichkeiten, genuss über alle unsere sinne, stressproblematik, lernen, bewusstem und unbewusstem erleben bis hin zum besseren verständnis von krankheiten und der wirkungsweise von medikamenten. je mehr man etwas hört – lernt –, desto besser wird es im gedächtnis verankert.

unser ganzes leben basiert eben auf lernprozessen, realen erfahrungen – also psychischen prozessen -  welche die übertragungsbereitschaft der synapsen beeinflussen, in erregendem oder hemmendem sinn. dies kann und muss auch gerade in der psychotherapie erkannt und bewusst genutzt werden.

das verständnis dieser komplexen vorgänge im gehirn und in unserem körper, und der funktionsweise gerade unseres unterbewusstseins, verknüpft mit der mikrowelt der quantenphysik und der epigenetik, ermöglicht uns so eine neue sichtweise auf unser menschsein.

quellen: gerhard roth, klaus grawe, manfred spitzer

Samstag, 22. Februar 2014

i-pen fotografie

mein sonnenschirm, 2006


im heutigen blog 8 stelle ich eine art fotografie der besonderen, spielerischen und etwas verrückten  art vor. 

im jahr 2003 entdeckte ich per zufall in einem katalog eine digitalkamera der firma pretec mit speziellem design, gedacht für ein zielpublikum mit einem flair für nicht alltägliche massenware, oder einfach für leute mit experimentierfreudigem spieltrieb. die kamera ist verpackt und getarnt in einem kugelschreiber, und, weil so für potentielle fotoopfer nicht erkennbar, für „versteckte, spionageartige“ aufnahmetechniken vorgesehen. die auflösung mit 480x640 pixel war schon für die damalige zeit mickrig und eigentlich untauglich, um irgendein klares bild zu erzeugen. der sucher ist ein schlichtes loch, durch das man ohne probleme zahnstocher oder zahnseide hindurchstossen könnte. die zielgenauigkeit ist absolut ungenau und abhängig davon, in welchem winkel und wie nahe man sein auge ans loch heranzupressen versucht. dementsprechend schockierend war die ausbeute. viele bilder lagen neben dem ziel, der horizont oft in totaler schieflage. gespiesen wird  das „spionagetool“ von einer aaa-batterie, die nach ca. 50 bildern den geist aufgibt und mich zwingt, als wandelndes batterievorratslager in der welt herumzupilgern. um eben batterieenergie zu sparen, schaltet sich die kamera nach einigen sekunden aus. oft drücke ich auf den auslöser ohne zu bemerken, dass die kamera out of order ist und es dauert zu lange , bis sie wieder durch einen drehmechanismus aktiviert werden kann. schon manche schöne szene konnte so nie verewigt werden, und ist im universum darum nur als flüchtige energie gespeichert. 

die erste bilderserie auf dem monitor war ein schock. alle bilder flau und ohne farbe, eigentlich nur eine graue sauce, wie sie ein düsterer novembertag nicht besser bereitstellen kann. meine frustration entlud sich in der aggressiven bedienung der farbregler im photoshop unter verwünschungen der einfacheren art. trial and error war doch schon immer das motto der evolution – und siehe da, das universum wollte sich mit mir versöhnen und hatte mich auf die richtige fährte gebracht: phönix entstieg der grauen sauce und es entstanden plötzlich bilder mit fast kleeartigen, farbigen pixelrechtecken, die einen gemäldeartigen touch hervorzauberten. wunderbar zum ausdruck kommt dieses phänomen bei vergrösserungen ab 60 cm und mehr.

nun war der bann gebrochen, der jubel gross, und ich war nicht mehr zu halten. ich musste bereits aufpassen, dass der kugelschreiber nicht mit dem rechten auge verschmolz oder sogar anwuchs.


selbstporträt i-pen, 2011


die erscheinung des nicht mehr ganz jungen mannes mit einem kugelschreiber vor dem rechten auge und die begegnung mit diesem fotoalien erstaunt immer wieder viele zeitgenossen, die ihrer wahrnehmung auf einmal gar nicht mehr sicher sind. staunen, mitleidiges kopfschütteln, aber auch interessiertes nachfragen sind die reaktionen. ich kann die massen an offenen mündern nicht mehr zählen, und ich bin in diesem kontext auch immer wieder darüber entzückt, obschon ich ja eigentlich weit geöffnete münder in meiner früheren berufstätigkeit zur genüge kennengelernt hatte. diese grosse aufmerksamkeit, die diesem fototool und dem menschen dahinter entgegengebracht wird, lässt natürlich jeden fotospion sofort auffliegen.

leider, aber irgendwie auch verständlich, wurde die produktion dieses fotografierenden kugelschreibers eingestellt. erhältlich ist noch eine videoversion ohne sucher. das macht das erfassen eines sujets aber noch eine spur schwieriger.

vielleicht entdeckt die firma pretec ja auf grund obiger bilder das grandiose kreative potential dieses kugelschreibers neu und startet eine grossproduktion. 

das bild von blog 8 „ mein kleiner sonnenschirm“ gehört zu einer strandserie, die 2004 in kalabrien entstand. die ganze serie ist auf der homepage unter der neuen rubrik i-pen fotografie aufgeschaltet. das bild „ la mama am strand“ repräsentiert die italianità sehr schön. es war eine erheiternde szenerie, nicht nur perfekt gespielt, sondern auch umwerfend intoniert.

in meinem buch sind die bilder auf den seiten 21, 44 und 63 mit der i-pen kamera geschossen, ebenso das bild von blog 4.

Samstag, 8. Februar 2014

gehirn und wissen


wissenmachtschaft, 2006



das bild für blog 7 zeigt die mit stacheldraht eingezäunte fassade des bundeshauses und ist zugleich ein wortspiel.

in blog 6 habe ich mit dem thema kreativität viele unser gehirn betreffende begriffe wie dopamin, emotion, intuition, belohnungssystem, glück, limbisches system, „unbewusstes emotionszentrum“, stress und lernen kurz angeschnitten. 

sehen, erfühlen von bildern und erleben von kunst sind an gehirnprozesse gekoppelt. dies fordert uns unweigerlich dazu auf, mehr über diese abläufe in unserem gehirn zu lernen und zu verstehen.

ich werde, wie in früheren blogs angekündigt, von blog zu blog immer tiefer in die materie von gehirn, bewusstsein, unterbewusstsein und damit der quantenphysik eintauchen.

unser gehirn wiegt nur 1.4 kilogramm, ist aber das komplexeste organ mit einer weisheit aus 500 millionen jahren evolution. es ist immer eingeschaltet und steuert und reguliert alle körperfunktionen.

das gehirn besteht aus 2 hälften (hemisphären), welche durch den balken (corpus callosum) verbunden sind. früher ordnete man jeder hemisphäre spezifische funktionen zu. neuere untersuchungsmethoden zeigen aber, dass beide hälften ihre inhalte austauschen und ergänzen, also zusammenarbeiten. die gehirnleistung wird dadurch grösser.

bei musik zum beispiel verarbeitet die linke hälfte die tonelemente , die rechte die „melodie“. das resultat ist dann musik. einzelheiten in einem bild sehen wir links, das ganze bild rechts.
wir müssen uns somit von der vorstellung lösen, dass logik links und emotion/kreativität rechts entsteht. der mensch fühlt, denkt und handelt ganzheitlich dadurch, dass beide hemisphären sich austauschen. 

das gehirn  enthält ca. 100 milliarden neuronen (nervenzellen, vergleichbar mit der anzahl sterne in der milchstrasse).
ein neuron ist eine komplexe chemische fabrik, ein mikrokosmos. in jedem zellkern dieser neuronen sind alle 35‘000 gene des individuums enthalten. jedes neuron ist ein spezialist an seinem spezifischen ort, arbeitet aber immer in gruppen.

jedes neuron ist mit bis zu 10‘000 synapsen mit anderen neuronen verbunden. 60 billionen solcher kontaktstellen = synapsen gibt es im cortex. an diesen synapsenspalten findet die chemische übertragung mittels neurotransmitter und neuromodulatoren statt (wie zum beispiel mit hilfe des im letzten blog besprochenen botenstoffs dopamin).

es bilden sich während des ganzen lebens dauernd neue neuronen und synapsen, welche sich neu verschalten. dieser vorgang heisst neuroplastizität und ist beim lernen sehr wichtig. verminderte hirnleistung hat nichts mit dem alter zu tun, sondern ist abhängig vom training!

unser erleben, lernen, verhalten und damit unser bewusstsein und unsere identität, basieren auf dieser vernetzung der neuronen und ihren erregungsmustern. 

neuronen sind die atome der wahrnehmung und führen zu bewusstsein und wissen.

schafft wissen mehr macht? wie machtvoll ist wissenschaft? wer führt und leitet die wissenschaft in auch gerade ethischen bahnen?

quellen: christof koch, norbert herschkowitz, klaus grawe